Papst Gregor erzählt
Beginn in Montecassino
GREGOR: Der heilige Mann zog fort. Der Ort änderte sich, nicht aber der Feind. Denn von jetzt an hatte er umso härtere Kämpfe zu bestehen, je mehr er einsah, dass der Meister der Bosheit offen gegen ihn kämpfte.
Ein befestigter Ort mit Namen Casinum liegt am Abhang eines hohen Berges. Dieser Ort schmiegt sich in eine weite Mulde des Berges, der sich über drei Meilen zur vollen Höhe erhebt. Mit seinem Gipfel ragt er gleichsam in den Himmel. Dort stand ein uraltes Heiligtum, wo nach dem Brauch der heidnischen Vorfahren die einfältige Landbevölkerung den Gott Apollo verehrte. Ringsum waren heilige Haine gewachsen, die dem Dämonenkult dienten. Hier plagten sich noch damals viele uneinsichtige Heiden mit ihren Götzenopfern ab.
An diesen Ort kam nun der Mann Gottes. Er zerstörte das Götterbild, stürzte den Altar um, holzte die heiligen Haine ab. Im Tempel des Apollo errichtete er ein Oratorium zu Ehren des heiligen Martin, und an der Stelle des Apolloaltares erbaute er ein Oratorium zu Ehren des heiligen Johannes.
Den Leuten, die ringsum wohnten, verkündete er beharrlich die Frohe Botschaft und rief sie so zum Glauben.
Dies aber konnte der Alte Feind nicht stillschweigend ertragen. Nicht im Verborgenen, nicht im Traum, sondern deutlich sichtbar trat er dem Vater unter die Augen. Mit fürchterlichem Geschrei klagte er, ihm werde ständig Gewalt angetan. Sogar die Brüder hörten sein Schreien, wenn sie auch die Erscheinung nicht wahrnehmen konnten. Wie der ehrwürdige Vater seinen Jüngern erzählte, habe sich der Alte Feind abscheulich und feurig vor seinem leiblichen Auge gezeigt, und er schien mit Flammen aus Mund und Augen gegen ihn zu wüten. Was der Alte Feind sagte, konnten alle hören. Zuerst nämlich rief er ihn beim Namen. Als der Mann Gottes nicht antwortete, stieß er sofort Beschimpfungen aus. Als er ihn anherrschte: »Benedictus, Benedictus – Gesegneter!« und sah, dass dieser ihm überhaupt keine Antwort gab, schrie er weiter: »Maledictus, nicht Benedictus – Verfluchter, nicht Gesegneter! Was willst du von mir? Warum verfolgst du mich?«
Jetzt aber kommen wir zu den nächsten Angriffen des Alten Feindes gegen den Diener Gottes. Er wollte Benedikt angreifen, doch ungewollt bot er ihm Gelegenheit zum Sieg.
Der unbewegliche Stein
Buch II der Dialoge, Kapitel 9
Als die Brüder eines Tages dabei waren, die Wohnräume des Klosters zu bauen, lag in der Mitte ein Stein. Den wollten sie in das Mauerwerk einfügen. Zwei oder drei konnten ihn nicht bewegen, und auch als viele anfassten, blieb er so unbeweglich liegen, als wäre er im Erdboden verwurzelt.
Da wurde ganz klar, dass der Alte Feind selbst sich auf ihn gesetzt hatte; konnten ihn doch die Hände so vieler Männer nicht von der Stelle bewegen. In dieser Schwierigkeit schickten sie zum Mann Gottes, er möge kommen und durch sein Gebet den Feind vertreiben, damit sie den Stein emporheben könnten.
Benedikt kam sofort, betete und gab den Segen. Da ließ sich der Stein so schnell heben, als wäre er zuvor nicht so schwer gewesen.
Der Brand in der Küche
Buch II der Dialoge, Kapitel 10
Da beschlossen die Brüder in Gegenwart des Mannes Gottes, an dieser Stelle die Erde aufzugraben. Als sie tiefer gruben, fanden sie dort ein bronzenes Götterbild. Sie brachten es zunächst einmal in die Küche. Da schien plötzlich Feuer auszubrechen, und in den Augen aller Mönche sah es so aus, als ob das ganze Küchengebäude in Flammen aufginge.
Sie schütteten Wasser hin und machten dabei großen Lärm, weil sie meinten, ein Feuer löschen zu müssen. Von dem Tumult beunruhigt, kam der Mann Gottes herbei. Er erkannte, dass es das Feuer nur in den Augen der Brüder gab; denn er selbst sah es nicht.
Da neigte er sofort sein Haupt zum Gebet und rief die Brüder, die er von einem vorgegaukelten Feuer betrogen fand, zu dem zurück, was wirklich zu sehen war. Sie erkannten, dass das Küchengebäude unbeschädigt dastand, und sahen die Flammen nicht mehr, die der Alte Feind vorgetäuscht hatte.
Der Einsturz der Mauer
Buch II der Dialoge, Kapitel 11
Ein anderes Mal arbeiteten die Brüder an einer Mauer, die etwas erhöht werden musste. Der Mann Gottes hatte sich in seine Zelle zurückgezogen und war ins Gebet vertieft. Da erschien ihm der Alte Feind und sagte mit höhnischen Worten, er gehe jetzt zu den Brüdern, die draußen an der Arbeit seien.
Sofort ließ der Mann Gottes ihnen durch einen Boten ausrichten: »Gebt acht, Brüder! Noch in dieser Stunde kommt zu euch der Böse Geist.« Kaum hatte der Bote ausgesprochen, da warf der Böse Geist die Mauer um, an der sie gerade arbeiteten; die Trümmer erdrückten einen jungen Mönch, den Sohn eines Hofbeamten. Alle waren traurig und sehr erschüttert, nicht wegen der eingestürzten Mauer, sondern weil ihr Bruder verunglückt war. Voll Schmerz berichteten sie es gleich dem heiligen Abt Benedikt.
Da ließ er den Schwerverletzten zu sich bringen. Sie konnten ihn nur in einem Umhang tragen, denn die herabstürzenden Mauersteine hatten ihm nicht nur Arme und Beine, sondern auch die Knochen zerschmettert.
Der Mann Gottes ließ ihn sofort in seiner eigenen Zelle auf das Psiathion, die Binsenmatte, legen, auf der er immer betete, schickte die Brüder hinaus, schloss die Zelle und betete inständiger als sonst. Da geschah das Wunder: Noch in derselben Stunde schickte Benedikt ihn unversehrt und gesund wie vorher an seine Arbeit zurück.
So konnte der junge Mönch, durch dessen Tod der Alte Feind Benedikt hatte verhöhnen wollen, mit den Brüdern die Mauer fertigbauen.
In dieser Zeit entfaltete sich bei dem Mann Gottes auch die Geistesgabe der Prophetie; er sagte Zukünftiges voraus und teilte den Anwesenden mit, was in der Ferne geschah.