Papst Gregor erzählt

Der gestohlene Wein

Buch II der Dialoge, Kapitel 18

Eines Tages wurde unser Exhilaratus, den du ja seit seiner Bekehrung kennst, von seinem Herrn beauftragt, dem Mann Gottes zwei Holzgefäße mit Wein, sogenannte Flascones, in das Kloster zu bringen. Er überbrachte aber nur eines; das andere hatte er unterwegs versteckt.

Dem Mann Gottes konnte jedoch nicht verborgen bleiben, was in der Ferne geschehen war. Er nahm das eine Gefäß mit Dank an, mahnte aber den Diener beim Weggehen: »Gib acht, mein Sohn, trink nicht aus dem Gefäß, das du versteckt hast. Halte es vorsichtig schräg. Du wirst schon sehen, was drin ist.«

Ganz verwirrt nahm der Diener Abschied von dem Mann Gottes. Auf dem Rückweg wollte er überprüfen, was ihm gesagt worden war. Als er das Fässchen schräg hielt, schlüpfte eine Schlange heraus. Der Diener Exhilaratus geriet durch diesen Fund in großen Schrecken über seine böse Tat.

Das versteckte Geschenk

Buch II der Dialoge, Kapitel 19

Nicht weit vom Kloster lag ein Dorf. Dort hatten sich viele Menschen durch die Predigt Benedikts vom Götzendienst zum Glauben an Gott bekehrt. Hier wohnten auch einige gottgeweihte Frauen. Um ihnen geistlichen Zuspruch zu geben, schickte der Diener Gottes Benedikt immer wieder seine Brüder dorthin.

Eines Tages sandte er wie üblich einen Mönch zu ihnen. Nachdem dieser die gottgeweihten Frauen unterwiesen hatte, nahm er auf ihr Drängen hin einige Tüchlein an und versteckte sie an seiner Brust.

Sobald er zurückgekehrt war, begann der Mann Gottes ihm heftige und bittere Vorwürfe zu machen und sagte: »Wie ist das Unrecht in deine Brust gekommen?« Der Mönch war ganz erstaunt, hatte er doch vergessen, was er getan hatte; er wusste gar nicht, weshalb er getadelt wurde. Da sagte Benedikt zu ihm: »War ich denn nicht zugegen, als du von den Dienerinnen Gottes die Tüchlein angenommen und an deiner Brust versteckt hast?«

Der Mönch fiel sofort vor ihm nieder, bereute sein törichtes Handeln und warf die Tüchlein weg, die er an seiner Brust versteckt hatte.

Der stolze Tischdiener

Buch II der Dialoge, Kapitel 20

Als einmal der ehrwürdige Vater beim Abendessen saß, stand einer seiner Mönche, der Sohn eines höheren Beamten, an seinem Tisch und hielt ihm das Licht.

Während der Mann Gottes aß und dieser Mönch neben ihm stand, um ihm zu leuchten, erfasste ihn der Geist des Stolzes, und er begann in seinem Herzen still zu überlegen und sich in Gedanken zu sagen: »Wer ist denn der da, dem ich beim Essen aufwarten, die Lampe halten und dienen muss? Wer bin ich, dass ich diesem da dienen soll?« Sofort wandte sich der Mann Gottes dem Mönch zu und tadelte ihn heftig: »Bezeichne dein Herz mit dem Kreuz, Bruder! Was redest du da? Bezeichne dein Herz mit dem Kreuz!«

Sogleich rief Benedikt Brüder und wies sie an, ihm die Lampe aus der Hand zu nehmen. Dem Bruder aber befahl er, den Dienst abzugeben und sich die übrige Zeit ruhig hinzusetzen.

Die Brüder fragten ihn, was er im Herzen gedacht habe. Da erzählte er der Reihe nach, wie sehr der Geist des Stolzes ihn aufgebläht und welche Worte gegen den Mann Gottes er in seinen innersten Gedanken gesprochen habe.

Nun wurde allen klar, dass dem heiligen Benedikt nichts verborgen bleiben konnte; denn sein Ohr hörte auch Worte, die nur in Gedanken gesprochen wurden.

Konzil von Trient

Zusammenkunft der römisch-katholischen Kirche. Das Konzil  fand zwischen 1545 und 1563 statt.